⚽ Ungarin stellt ihr Land vor Magyaren sehnen sich nach dem Erfolg

Auf geht’s, Ungarn: Ágnes Lenkeit kann nur gewinnen, wenn Deutschland am Mittwoch gegen die ungarische Auswahl spielt. Foto: red

Deutschland gegen Ungarn gab es schon bei der EM 2021, nun kommt es zur Neuauflage. Spuren hat aber vor allem die Finalniederlage 1954 hinterlassen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Noch heute reden die Menschen in Ungarn von dieser bitteren Niederlage aus dem Jahr 1954, die sich am 4. Juli zum 70. Mal jährt. Vier Jahre lang hatte die legendäre Fußball-Mannschaft um Ferenc Puskás kein Spiel mehr verloren, war haushoher Favorit auf den WM-Titel.

Im Finale gegen Deutschland führten die Ungarn durch zwei frühe Tore von Puskás und Zoltán Czibor mit 2:0, zur Krönung sollte es aber nicht reichen. Max Morlock und zweimal Helmut Rahn drehten für die DFB-Elf die Partie, revanchierten sich damit für die 3:8-Niederlage aus der Vorrunde und sorgten mit dem „Wunder von Bern“ für Deutschlands ersten Stern.

Während die Bundesrepublik aus gesellschaftlicher Sicht von dem WM-Titel enorm profitierte, kamen die Ungarn einem Titel nie mehr so nahe. „Das Land würde gerne wieder dort hinkommen“, sagt Ágnes Lenkeit, die gebürtig aus Ostungarn stammt und seit 2018 in Bayreuth lebt. „Dafür wird viel Geld in den Fußball gesteckt.“

Dafür sorge allen voran Ministerpräsident Viktor Orbán, der in seinem Heimatort Felcsút mit der Puskás Akademie die größte Fußballschule des Landes ansiedelte. „Ich kann mir schon vorstellen, dass das irgendwann Früchte trägt“, sagt Lenkeit.

Seit 2016 bei jeder EM dabei

Während die bislang letzte Teilnahme an einer Weltmeisterschaft 38 Jahre her ist, sind die Ungarn seit 2016 bei jeder EM-Endrunde dabei gewesen. Schon bei der zurückliegenden Europameisterschaft landeten die Magyaren mit Deutschland in einer Gruppe. Lange schnupperten sie in München an einer Überraschung, führten bis kurz vor Schluss mit 2:1, ehe Leon Goretzka der späte Ausgleichstreffer gelang. Am Ende schieden sie als Gruppenletzter aus.

Wie es am Mittwoch ausgeht? „Ich glaube, dass Deutschland mit 3:0 oder 3:1 gewinnt“, sagt Lenkeit, die die Partie für sich als Win-win-Situation bezeichnet. „Es wäre aber schon schöner, wenn Ungarn trifft.“ Klar ist jedenfalls: Die Mannschaft des italienischen Trainers Marco Rossi steht nach der 1:3-Auftaktniederlage gegen die Schweiz unter Druck. Eine weitere Niederlage und der Traum vom Achtelfinale dürfte vorbei sein.

Ein erneutes Aus nach der Vorrunde wäre für die fußballbegeisterten Ungarn ein Dämpfer und würde wohl aufs Gemüt der Leute schlagen. „Die Menschen in Ungarn sind schnell unzufrieden“, erzählt Lenkeit lachend. „Vor allem mit der Politik. Es ist egal, wer regiert, ob er oder sie es gut oder schlecht macht.“ In Budapest ist man Orbán gegenüber deutlich kritischer als auf dem Land. In öffentlichen Einrichtungen fehle das Geld, die Leistungen der Krankenkassen seien schlechter geworden. „Allgemein sinkt das Lebensniveau“, bedauert die 37-Jährige. „Die Löhne sind einfach zu niedrig, dafür sind die Lebenshaltungskosten zu hoch.“

Und dennoch empfiehlt Lenkeit jedem einmal ihr Land zu besuchen. „Ungarn mit seiner Kultur ist einfach nur schön“, betont sie. Die Menschen seien sehr gastfreundlich und „versuchen dich wie einen kleinen König zu behandeln“. Das würde man vor allem beim Essen, das eine wichtige Rolle spielt, merken. Zu Gast bei einem Ungarn gibt es mehrere Gerichte inklusive Suppe, Vor- und Nachspeise. „Auch wenn es finanziell vielleicht nicht möglich ist, wird man im großen Stil bewirtet“, erklärt Lenkeit.

Ungarn ist mehr als der Balaton

Ungarn ist für die 37-Jährige mehr als der Balaton. Im Osten des Landes gibt es kleinere Berge, wo man hervorragend wandern könne. Und dann ist da noch die Hauptstadt Budapest: „Eine der schönsten Städte, in denen ich je gewesen bin“, sagt Lenkeit, die sechs Jahre in der größten Stadt Ungarns lebte.

In ihrer Studienzeit verschlug es Lenkeit nach Deutschland, wo sie 2010 für zwei Semester an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg studierte und ihren späteren Mann kennenlernte. Zwei Jahre später blieb sie endgültig hier hängen. Jetzt ist Bayreuth ihr Zuhause, wo sie als Finanzbuchhalterin arbeitet. „Als Studentenstadt ist Bayreuth toll, aber auch um eine Familie zu gründen“, sagt die Zweifach-Mama. „Bayreuth ist nicht zu groß, nicht zu klein und bietet viele Möglichkeiten.“

Womit sie kaum Probleme hatte, war die Sprache zu erlernen. „Die deutsche Sprache finde ich ziemlich logisch“, sagt Lenkeit, die mit 16 Jahren angefangen hat, Deutsch zu lernen. „Mir ist Deutsch leichter gefallen als Englisch.“ Schwierigkeiten habe sie dagegen mit dem Wortschatz gehabt. „Das war wiederum im Englischen leichter“, sagt sie.

Was aber noch einmal deutlich herausfordernder sei, ist Ungarisch. „Wenn es nicht meine Muttersprache wäre, würde ich es nicht lernen“, erzählt Lenkeit mit einem Lachen. Kaum verständliche Grammatik und viele Ausnahmen würden es sehr kompliziert machen. Ihre beiden Söhne müssen die Sprache ihrer Mutter dennoch lernen. „Mir ist es wichtig, dass die Jungs zweisprachig aufwachsen“, erklärt Lenkeit. Gerne möchte sie den beiden auch die Kultur ihres Heimatlandes zeigen, wenn sie etwas älter sind.

Einmal im Jahr reist die 37-Jährige derzeit zu ihrer Familie nach Ungarn. „Vor ein paar Jahren war ich noch öfter da, vor allem an den Feiertagen, aber aus zeitlichen Gründen geht es derzeit nicht“, sagt Lenkeit. Manchmal fehle ihr die Kultur, „aber so richtig vermisse ich Ungarn nicht“. Ihr Zuhause ist nun in Bayreuth.

Autor

Bilder